Aus einem Brief vom 2. Oktober 1935

Offensichtlich von den Eltern ermahnt, sich von jüdischen Freunden zurückzuziehen, schreibt Eva Hermann:

„Da …. ein Abbruch der Beziehungen schon rein beruflich nicht in Frage kommt, so dürfte in unserer Existenz so manches Häkchen untilgbar sein, an dem ‘gute Freunde, getreue Nachbarn und desgl.’ irgendetwas Nettes auf- und anhängen können, so es sie danach gelüstet. In solchen Fällen beschränkt man sich bekanntlich nicht darauf, das gegenwärtige Leben der Leute zu revidieren, sondern kümmert sich auch eingehend um ihre Vergangenheit. Da dürfte bei uns einiges nicht auszuradieren sein. Wir wollen also einer etwaigen Untersuchungskommission doch nicht den Kummer bereiten, zu allem übrigen auch noch eine Rechtsum-Kehrtwendung mit Rückgratbruch zutage fördern zu müssen. Es lohnt sich nicht.“

Vielleicht ginge es bei anderen

„wirklich nur um ein Überbordwerfen von Grundsätzen. Vielleicht sind sie zu anderen Aufgaben gerufen. Bei mir handelt es sich um viel Einfacheres: um Gehorsam. Der Unterschied zwischen …. den anderen und mir ist, daß sie einem anderen Herrn hörig sind. Damit gelten für sie andere Befehle …“.

„Wenn es sich …. darum handelt, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, so hoffe und wünsche ich, aus Seiner Kraft stets ein unerschütterliches Nein zu finden, was es auch kosten mag. Vor dieser elementaren Grundwahrheit des Christentums, der Vaterschaft Gottes und der daraus folgenden Bruderschaft aller Menschen gibt es für mich keinen Kompromiß. Gerade weil heute so wenige davon zu wissen scheinen, sind die, die es wissen, unentrinnbar verpflichtet, davon zu zeugen. Wer wie wir in relativ gesicherter Lage ist, dem entspringt daraus die Verpflichtung, für einige andere einzuspringen, die sich weniger sicher fühlen, Dinge zu tun, die sie unterlassen müssen, wieder gutzumachen, was andere anrichten. Das scheint mir keine Verkennung von Tatsachen, sondern das Rechnen mit einer Realität, die wirklicher und unbedingter ist als unsere bürgerliche Existenz, ja als unser kleines Menschenleben. Was daraus für Folgen entstehen können, fragt Ihr, für uns und für Euch und für andere? Das geht mich glücklicherweise gar nichts an …“

„Ich möchte gern zu denen rechnen, denen gelegentlich bezeugt worden ist, daß sie keinen knechtischen Geist empfangen haben…“

Es sei ihnen klar geworden, daß sie zwischen zwei Wegen den schwereren und unsichereren gewählt hätten.

„Wir bereuen es nicht und gehen ihn fröhlich. Flucht und Rückzug sind abgeschnitten.

Im Grund habt Ihr ja wohl eine ähnliche Antwort erwartet und wäret enttäuscht, wenn sie anders ausgefallen wäre. Und nun wollen wir die Zukunft sich selbst überlassen und uns um sie kümmern, wenn sie Gegenwart geworden ist.“

Quelle: von Konrad Tempel zur Verfügung gestellt.